Neureuter Niederung

Die Neureuter Rheinniederung ist eine ursprünglich vom Rhein geprägte Landschaft, der immer wieder sein Bett veränderte, bis er zwischen 1818 und 1821 begradigt wurde. Er hinterließ alte, verlandete Flussarme und Kiesrücken. Mit der Begradigung begann eine tiefgreifende Veränderung der Landschaft. Abgesehen von den Gewannen Unterer Damm und Mittlerer Damm, östlich des kleinen Bodensees, war der Großteil des Gebiets seit altersher als Grünland genutzt, lange Zeit als Weide, mit dem Aufkommen der Stallwirtschaft dann als Wiese. Vom 17. bis Mitte des 20. Jahrhunderts gab es im Südteil des Gebietes ein Grabensystem, das die Wiesen mit dem nährstoffhaltigen Abwasser des Karlsruher Landgrabens bewässerte. Einen Wandel erlebte die Landschaft besonders nach dem 2. Weltkrieg. Die Bewässerung von Wiesen wurde aufgegeben, das Gelände wurde durch die Vertiefung des Weißen Grabens entwässert. Äcker verdrängten die Wiesen, später wurden Teile der landwirtschaftlichen Fläche ganz aufgegeben. Hochwasserschutz, durch die Bedämmung des Rheins in den 1930iger Jahren und Entwässerung des Geländes ermöglichten es, Flächen für Gewerbe- und Freizeitanlagen zu erschließen. Der Bau der B36 zerteilte das Gebiet.

Die Strecke ist etwa 8 km lang. Die Wege sind durchweg asphaltiert und breit (mit Ausnahme des kurzen Stichweges zum Altrhein Kleiner Bodensee). Es sind nur drei kürzere Steigungen vorhanden, bei der Überquerung der B36 und des Hochwasserdammes am Kleinen Bodensee).Es gibt das ganze Jahr über etwas zu sehen (und zu hören, sehr wahrscheinlich zum Beispiel im Mai den Kuckuck an der Wässerung Punkt 9).

Den Schwerpunkt bilden die Wiesen der Niederung. Die Beste Zeit für einen Besuch ist der Mai wenn viele Wiesenblumen in Blüte stehen (Ende Mai/ Anfang Juni werden die meisten Wiesen zum ersten Mal gemäht). Die Jungstörche lassen sich im Horst im Juni bis Anfang Juli beobachten.

1 Hochgestade

Hochgestade nennt man den Geländesprung am Rand der Rheinniederung. Er markiert den Verlauf der äußersten Altrheinschlinge, die eine rund 300 Meter breite Senke hinterließ, die im Laufe der Zeit verlandete. Die Senke war stark vernässt, denn das Grundwasser stand früher höher als heute, und am Fuß des Hochgestades traten Quellen aus. Aus dem abgestorbenen Röhricht bildete sich ein Torfboden. Für das 19. Jahrhundert sind an mehreren Stellen Torfstiche dokumentiert. Am Hangfuß ist die Torfschicht bis zu 1,5 Meter mächtig.

Der Weg führt zunächst am Fuß des Hochgestades entlang. Rechts begleitet ein kleiner Graben über längere Strecken den Weg. Er sammelt das am Hangfuß auftretende Grundwasser.

Linker Hand sieht man, wie kleinparzellige Nutzungen in die Rheinniederung vordringen, z. B. Freizeitgrundstücke, Lagerplätze und Viehkoppeln. Viele Parzellen wurden aufgefüllt

Wir erreichen den Bachenweg, wenden uns nach links und nach 100 Metern in den rechts abzweigenden Weg. An Gärten vorbei stoßen wir nach knapp 200 Meter auf eine Fichte mit einem Storchenhorst. Wenn wir in der Zeit von Mai bis August unterwegs sind, werden wir auf der Tour bestimmt Störche sehen, auf einem Horst oder in den Wiesen (mehr dazu unter Punkt 11).

Weiter führt unser Weg zu einem größeren zusammenhängenden Wiesenbestand.

Hierzu einige Vorbemerkungen:

2 Wiesen

Wiesen  sind ein typisches Landschaftselement der Neureuter Rheinniederung, das früher viel weiter verbreitet war. Besonders nach dem 2. Weltkrieg nahmen die Wiesenflächen beträchtlich ab. Sie wurden vor allem in Äcker und Pappelforsten umgewandelt oder Sport- und Gewerbeanlagen darauf errichtet. Großflächige Wiesen sind noch zwischen der B36 und dem Hochgestade vorhanden. Das Gelände liegt tief und die Vegetation wird vom Grundwasser beeinflusst.

Im Folgenden wollen wir uns einige Wiesen genauer anschauen. Die beste Zeit dafür ist der Mai, weil dann viele Pflanzenarten blühen

Rund 200 Meter nach dem Storchenhorst öffnen sich linker Hand mehrfach Lücken im Gehölzbestand, die einen Blick auf die Wiese erlauben.

2A Wiese - feucht, nass

Wiese, feucht bis nass

Wir befinden uns an einem Wiesenstück das eine flache, feuchte Senke bildet. Der Weg ist erhöht und am Wegrand gedeihen deshalb andere Pflanzen (hier zum Beispiel Brennesseln) als ein paar Meter weiter in der Wiese. Im Mai sehen wir gut, dass sie vom Wiesenfuchsschwanz beherrscht wird, der dichte Bestände bildet. An seinem walzenförmigen Blütenstand lässt sich diese Grasart leicht erkennen. Sie ist typisch für  feuchte, nährstoffreiche Wiesen.

Wenn - gewöhnlich Ende Mai/ Anfang Juni - gemäht wird, bleiben die stark mit Schilf durchsetzten Flächen ausgespart. Die frischen Schilftriebe sind gut zu erkennen, und im Juli blühen dazwischen Herden von Mähdesüß.  Beide deuten auf gut durchfeuchteten bis nassen Boden hin.   

An der nächsten Wegkreuzung wenden wir uns nach links entlang der bekannten Wiese und erhalten einen Überblick.

In der Wiese sehen wir wieder den Wiesen-Fuchsschwanz. Vor allem in der Nähe der Wege blüht der Wiesen-Storchenschnabel.

 

Kurz nach der Mahd wird die Wiese gerne von Störchen besucht.

Ende Juni/ Anfang Juli ist die Wiese wieder gut bewachsen. Dann blüht vereinzelt der Wiesenknöterich, in manchen Jahren auch in kleinen Herden, eine typische Pflanze feuchter Wiesen.

Nun können wir auch Bewuchszonen in der Wiese gut erkennen: Entlang des Wegrandes in einigen Metern breite wächst die Brennessel. Dahinter liegt eine Fläche mit viel Wiesenstorchenschnabel. Dahinter eine Zone mit viel Mädesüß rechts, und links mit viel Schilf links.

Wir fahren den asphaltierten Weg weiter in Richtung B36. Die Wiese wird von Gehölzbeständen unterbrochen. Nach rund 300 Metern öffnet sich links wieder eine große zusammenhängende Wiesenfläche (im Hintergrund, am Rand der Baumreihe, ein abgestorbener Baum mit einem Storchenhorst).

2B Wiese - frisch bis trocken

Deren Bewuchs unterscheidet sich von der vorherigen Wiese. Auf unserem Abstecher  haben wir die tiefen Lagen der Senke verlassen und sind an ihren Rand gelangt. Das Gelände liegt hier nur wenige Dezimeter höher.

Der Wiesen-Fuchsschwanz ist nur noch vereinzelt vorhanden, stattdessen herrschen andere Gräser vor, die für frische Böden kennzeichnend sind. Im Mai fallen auch die  gelben Blüten des Scharfen Hahnenfuß (Ranunculus acris) auf und die blasslila Blüten der Acker-Witwenblume, eine Pflanze, die für frische bis etwas trockenere Böden steht. Die Acker-Witwenblume deutet auch auf eine geringere Nährstoffversorgung des Bodens hin, ebenso wie der Sauerampfer dessen rotbraune Blütenstände im frühen Mai das Bild prägen. Darauf deutet auch der im Vergleich zur Fuchsschwanz-Wiese schüttere und niedrige Bewuchs hin.

Bereits Anfang Juli hat die Wiese in einen braunen Ton angenommen, die Grasstängel sind vertrocknet.

2C Wiese mit feuchter Mulde

Die Wiese setzt sich auf der anderen Seite des Weges in ähnlicher Ausprägung fort.

Ab Mitte Mai lässt sich allerdings eine Besonderheit erkennen. In der Wiese ist von weitem eine Fläche aus rosa-weißlichen Blüten zu erkennen. Es handelt sich um eine Herde des Echten Baldrians, der auf feuchten Böden vorkommt und hier eine feuchte Mulde in der eher trockeneren Wiese anzeigt.

Wir fahren zurück zur Wegkreuzung und setzen den Weg nach links fort. An der Ecke steht eine beeindruckende alte Pappel.

Wo der Weg nach rechts abbiegt und sich gabelt nehmen wir den linken Weg, der leicht aufwärts führt und in einer Tunnelröhre die Straße unterquert. Danach geht es abwärts und auf dem Geh- und Radweg an der Straße entlang. Die Straße führt über ein Gewässer, das wir uns näher anschauen. 

3 Weißer Graben

Der weiße Grabenwurde um 1820 angelegt und diente damals wie heute zur Entwässerung der Niederung. Die aus dem Hochgestade austretenden Bäche und Quellen stauten sich bei Hochwasser und wurden weiter stromabwärts dem Rhein zugeführt. Der weiße Graben ist ein typisches Fließgewässer der Rheinniederung mit nur geringem Gefälle. Der Zweck des Grabens bestimmt sein Aussehen und beeinflusst seinen Bewuchs. Damit das Wasser möglichst schnell und ungehindert abfließen kann, ist er geradlinig angelegt und seine Ufer sind befestigt. Das wird besonders im Winter und Frühjahr deutlich, wenn der randliche Bewuchs noch fehlt. Aus dem gleichen Grund muss der Grabenrand auch immer wieder frei geschnitten werden.

Nach ungefähr 300 Meter, in einer Rechtskurve, verlassen wir die Straße und fahren geradeaus auf einen asphaltierten Feldweg. Er führt direkt zum Altrhein Kleiner Bodensee.

Wiederum 300 Meter weiter halten wir an einer Wiese, die sich auf der linken Seite entlang der Straße zieht.

4 Wiese, trocken bis frisch, nährstoffarm

Im Mai zieht ein Teppich aus Margeritenblüten den Blick auf sich, dazwischen stehen die uns schon bekannten Acker-Witwenblumen. Beide Arten stehen eher für etwas trockene Wiesen und vor allem für Böden mit wenig Stickstoff, also etwas nährstoffarme Verhältnisse. Das wird auch deutlich an der Wüchsigkeit der Wiese. Die Pflanzen stehen schütter, die Gräser sind spärlich und relativ niederwüchsig.

Anfang Juni ist die Wiese überzogen mit den weißen Dolden der Wilden Möhre.

Auf der anderen Straßenseite steht eine interessante Informationstafel. Sie zeigt uns, worauf die Vegetation auch hinweisen kann. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. 

Kurz darauf erreichen wir einen Damm, überqueren ihn und fahren geradeaus hinunter zum Altrhein.

5 Altrhein Kleiner Bodensee

Der Altrhein entstand bereits einige Jahrzehnte vor der Rheinbegradigung durch eine natürliche Verlagerung des Flusslaufs. Auf der Karte von 1797 ist zu sehen, dass er in der Fließrichtung nur noch durch schmale Wasserläufe mit dem Hauptstrom in Verbindung steht. Damals dürfte die Verlandung schon angefangen haben. Heute sind große Teile mit Röhricht bewachsen.

Am gegenüberliegenden Ufer stehen Silberweiden, die leicht an ihrem blassgrünen Blattwerk zu erkennen sind, dazwischen hohe, sattgrün belaubte Pappeln. Mit einem Fernglas können wir Ausschau nach Kormoranen oder Graureiher halten.

Wir kehren zurück, überqueren wieder den Damm und fahren ihn entlang.

Die obige Karte zeigt uns dass an dieser Stelle bereits 1797 ein Damm bestand und die Rheinschlingen durch ein System aus Dämmen eingehegt wurden.

Das Gelände östlich des Dammes liegt etwas höher als die Umgebung. Wie die Karte zeigt, wurde dort schon früher Ackerbau betrieben (seit dem 17. Jahrhundert).

Unser Weg führt am Damm entlang, dessen dichter Bewuchs vermuten lässt, dass er aus nährstoffreicher Erde besteht. Die sonnige Hanglage begünstigt Pflanzen, die einen trockenen Untergrund ertragen. Von April bis August wechseln verschiedene Pflanzen ab, deren Blüten das Aussehen des Dammes prägen (wenn nicht gerade gemäht wurde). Im Mai blühen Hahnenfuß und Wiesenstorchenschnabel, im Juni der Gemeine Odermennig und das Gemeine Leimkraut auch Taubenkropf genannt, im Juli der Wilde Dost.

Der Damm verlässt den Weg und wir fahren am Waldrand entlang.

Wenn in den Feldern niedriges Getreide steht, fallen im Juli Stellen mit kleinen Schilfherden auf, die in kleinen feuchten Mulden stehen.

Kurz bevor der Weg endet, zieht sich der Waldrand etwas zurück.

6 Schleiervegetation

Dort wächst eine weit verbreitete Rankenpflanze, die Gewöhnliche Waldrebe. Die verholzenden Stängel können mehrere Meter hoch an Bäumen wachsen. Sie nehmen dem Baum Licht und können kleinere Bäume auch durch ihr Gewicht schädigen.

Wir erreichen einen breiten, staubigen Fahrweg der vor einem Damm verläuft. Unser Weg führt nach links auf den schmaleren asphaltierten Weg, aber vorher schauen wir uns den Damm genauer an.

7 Damm am Kanal

Dessen Bewuchs unterscheidet sich sehr deutlich von dem des vorherigen Dammes und von den Wiesen, die wir kennengelernt haben. Er ist relativ schütter bewachsen, es ist ein sehr trockener und nährstoffarmer Standort aber reich an Pflanzenarten. Im Mai fallen dort die Zypressen-Wolfsmilch und der Reiherschnabel auf, mit ihren gelben und rosafarbenen Blüten. Im Juli blühen dort meist Wilder Dost, Natternkopf und Johanniskraut, auf der Dammkrone hingegen nur Arten, die mit dem besonders nährstoffarmen Standort zurecht kommen, wie Thymian und Mauerpfeffer

Nun biegen wir in den schmalen Weg ein, der sich gerade zwischen den Bäumen hinzieht.

8 An der Wässerung

Auf den nächsten ein paar hundert Metern wollen wir erkunden, wie sich die Landschaft im Lauf der Zeit verändert hat. Historische Karten helfen uns dabei.

Der schnurgerade Weg, auf dem wir gerade fahren, ist schon auf einer Karte von 1848 eingezeichnet. Der besseren Qualität wegen nehmen wir als Vergleich eine Karte von 1863.  

Wir befinden uns hier im Bereich der ehemaligen Rheinschlinge, mit nassen bis feuchten Bodenverhältnissen. Das Wäldchen rechts des Weges ist der Rest eines früheren Feuchtwaldes, der vermutlich von Erlen beherrscht wurde, wie der gleichnamige Gewannname von 1948 nahelegt, und für den Bau der Raffinerie weichen musste. 

Auf der Restfläche stehen vorwiegend schnellwüchsige Pappeln, die nach dem 2. Weltkrieg geflanzt wurden. Auffällig ist ihr Samenflug ab Mitte Mai.  Mehr: Pappeln-Sommerschnee .

Einige sind von Pilzen befallen, und Spechte haben Höhlen angelegt. Vielleicht finden wir den versteckt stehenden Storchenhorst.

Wir fahren bis zum zweiten Weg der nach links abzweigt.

Die 1948er Karte zeigt, dass ab hier das Gelände rechts des Weges unbewaldet war und von einem Grabensystem durchzogen wurde. Es handelte sich um Wiesen, die über die Gräben mit nährstoffreichen Abwässern gedüngt wurden, sogenannte Wässerwiesen. Eine Teilfläche (bis zum heutigen Anschluss der B36) war bereits 1965 zu Wald umgewandelt und mit Pappeln bepflanzt. Fallen die Pappeln, sprießt das lichtbedürftige Schilf auf dem nassen Boden, wie ein Blick nach rechts zeigt

Wir biegen in den Seitenweg ein.

Auf der linken Seite liegt eine offene Fläche. Am Wegrand noch grasig-wiesig geht sie schnell in eine feuchte Senke mit schütterem Schilfbestand über. Im Mai leuchten aus dem noch niedrigen Schilf die gelben Blüten der Sumpfschwertlilie hervor.

Nach Norden geht der Schilfbestand in eine frische Wiese und eine junge Aufforstung über, vor einem hohen Gehölzriegel aus Pappeln. Solange die Pappeln noch nicht voll belaubt sind, lassen sich die vielen Misteln gut erkennen, die auf den Bäumen wachsen. 

9 Blütenreiche Wiee

Vor dem nächsten Gehölzriegel liegt eine sehr blütenreiche Wiese mit Wiesen-Storchenschnabel, Wiesen-Flockenblume und Wiesen-Pippau. Einige Pflanzenarten, wie Wiesen-Salbei, Acker-Witwenblume, Wiesen-Bocksbart weisen auf einen frischen bis etwas trockeneren Standort hin.

Wenige Meter weiter führt unser Weg nach rechts. Auf der Brücke überqueren wir  die  B36. Gut 200 Meter weiter liegt auf der linken Seite ein städtischer Bauhof. Von Ende Mai bis Anfang Juli lohnt es sich dort anzuhalten. Auf dem Silo des Bauhofes nistet seit Jahren ein Storchenpaar, nicht sehr romantisch, aber für die Störche praktisch und für uns gut zu beobachten.

10 Weißstorch

Der Weißstorch ist ein Charaktervogel der Wiesen. Dort sucht er seine Nahrung, vorwiegend Regenwürmer, Heuschrecken, Käfer, Raupen, Larven, Mäuse, Frösche. Die Art erlitt Anfang der 1960er Jahre einen katastrophalen Bestandsrückgang, vermutlich vor allem wegen der veränderten Agrarstruktur, insbesondere des Verlustes an Grünland. Ohne die Zucht und Auswilderung wäre der Bestand wohl erloschen. 1996 hatte erstmals seit 30 Jahren wieder ein Storchenpaar auf Neureuter Gebiet gebrütet und zwei Junge aufgezogen. Heute brüten mehrere Paare in Karlsruhe, vor allem in Neureut.